Mona Lisa Pistol

14 | Kopieren, Verändern, Kombinieren

Hier also der erste Fremdfilm in diesem Bog – eine großartige Reihe, die einem zum Thema Kreativität und Urheberschaft die Augen öffnet.. Dazu paßt hervorragend ein kleiner, aber feiner Zeit-Artikel, der einer der „Urheber“ dieser unbedeutenden Überlegungen sein dürfte:

 

Der Kapitalismus bekommt derzeit viele Namen: unlängst hat Wolfgang Streeck in Lettre International sehr anschaulich die vier Phasen der Entwicklung des demokratischen Kapitalismus seit den fünfziger Jahren aufgezeigt und dabei den „…Abschied aus dem lebensgefährlich gewordenen Dopingregim des Pump-Kapitalismus“ gefordert.

Mona Lisa PistolMit Gerald Raunig und Felix Stadler mischen sich jetzt ein Philosoph und ein Netztheoretiker mit einem neuen Kapitalismus-Begriff in die Urheberrechtsdebatte ein. Ihre Definition des kognitiven Kapitalismus ist ebenso einleuchtend wie sinnvoll: Im Gegensatz zum Tenor der sich in bürgerlichen Verteilungskämpfen befindlichen Urheberrechtsverteidiger sieht er unsere Zeit bestimmt von der Profanierung der Kreativität. Sowenig es heute noch einen Kanon als klassisches, bürgerliches Definitionskorset gibt, so sehr haben sich Position, Stellung und Bedeutung der „Kreativen“ verändert.
Raunigs Analogie der modernen Großstadt als Kreativitäts-Fabrik, in der sich die Jungen und Willigen – mangels Alternativen an „richtiger“ Arbeit – als Kreativarbeiter anbieten und zu Dumpinglöhnen prostituieren, mit den Fabrikarbeitern der Industrialisierung Anfang des neunzehnten Jahrhunderts, ist einleuchtend: die in Massen ausgebildeten Schreiber, Designer oder Grafiker nehmen jeden Job an, arbeiten jahrelang unterbezahlt und auf Zeit als Praktikanten oder Assistenten und haben nur in Ausnahmefällen tatsächlich Aufstiegschancen.

Der im letzten Jahrhundert erhoffte Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft zeigt damit sein wahres Gesicht: auf der einen Seite eine gnadenlos entäusserte Dienstleistungsarbeit, die zum größten Teil dem menschenunwürdigen Diktat einer Wiederherstellungsmaschinerie folgen muss, also nichts anderes tut, als einen festgelegten Status Quo wiederherzustellen und damit Anderen das Arbeiten erst zu ermöglichen, z.B. bei Wachschutz, Gebäudereinigung, Filialmitarbeitern oder Kassierern. Auf der anderen Seite stehen die jungen Kreativen, die mangels anderer sinnvoller gesellschaftlicher Tätigkeiten von unzähligen Institutionen ausgebildet werden und danach schon durch ihre schiere Marktpräsenz einen Mehr- oder Überbedarf an Kreativleistungen erzeugen, der uns in immer mehr bunten Bildern, Tönen und Entertainmentangeboten täglich um Augen und Ohren gehauen wird.

Der Unterschied zwischen „(hochwertiger) geistig-produktiver Arbeit und (niedrigwertiger) materiell-produktiver Arbeit“ wird in der modernen Wissens- und Kulturproduktion immer weiter nivelliert, da hilft auch das spätbürgerliche Festhalten an dem Abstand von Autor/Kreativen und seinem Publikum/Konsumenten nichts mehr. Wissen ist heute kein elitäres Gut mehr, das nur in einer Richtung entstehen kann, im Gegenteil „Heute, im kognitiven Kapitalismus, entsteht Wissen in der Kooperation… Die Produktion von Wissen (ist) zur zentralen Ressource des Kapitalismus der Gegenwart geworden.“

Das neue Kreativprekariat hat nun aber, im Gegensatz zu den etablierten Urhebern, keine Chance mehr, jemals ihre „Werke“ in Größenordnungen abzusetzen, die Urhebern ein gutes Leben ermöglichen und gleichzeitig die Vermarktungsstrategien der Verwerter finanzieren könnten. Es beharren ja auch nur die Urheber auf dem Status Quo, die so gut im Geschäft sind, dass sie mit ihrer Arbeit das Überleben von Urhebern und Verwertern sichern können. Das diese Urheber nicht gegen die Verwertungskette und die ungehörig großen Erlösanteile der Verwerter auf die Barrikaden gehen, ist also verständlich. Genauso einleuchtend ist aber, das die jungen, zu einer immer größeren Produktion der Ware „Wissen“ und „Kreativität“ getriebenen Kopfarbeiter damit nichts anfangen können: sie werden ja sowieso mit Byout-Verträgen von der kontinuierlichen, langfristigen Partizipation an ihren Werken ausgeschlossen – zugunsten von wem? Den Verwertern natürlich. Die verdienen immer.

Siehe dazu: „Tot war der Autor nie“ von Gerd Raunig und Felix Stadler


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