Wasserschlacht auf der Oberbaumbrücke

14 | Der einsame Held

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Einsame Helden begleiten uns das ganze Leben lang. Meist fängt die Faszination für Menschen, die auf sich zurückgeworfen sind und Innen suchen, was sie Aussen nicht finden können, in der Pubertät an. Kein Wunder, denn so lange man selbst auf der Suche ist, kann man sich ja nur seiner selbst sicher sein, und manchmal nicht mal das…

Weil man dem Aussen, also dem, was sich uns gegenüber als Realität verkaufen möchte, in der Jugend mit einer gewissen Skepsis gegenübersteht, kommen die Vorbilder häufig aus der Kunst, manchmal aus der Literatur, aber gerne auch aus dem Kino: Von dem eiskalten Engel bis Dirty Harry, von Harry Caul bis zum Motorcycle Boy.

Für all diese Helden galt ein Gesetz, das ebenso tief in der Filmdramturgie wie im Erzählen an sich verwurzelt ist: sie mussten sich entwickeln und mitunter sogar verändern. Ihre Einsamkeit wurde auf die Probe gestellt durch eine Aufgabe, die von irgendwoher an sie herangetragen wird und zu der sie eine Entscheidung fällen mussten. Natürlich eine einsame Entscheidung, die uns überraschen, aufregen oder ängstigen sollte, um spannende Geschichte daraus zu machen. Der einsame Held ist dabei immer auch ein Reflex auf die Gesellschaft, dessen Prinzipien er sich mit einem verborgenen, meist aber irgendwie zu ahnenden Grund verweigert.

Damit er ein wirklicher Held bleibt, müssen seine Entscheidungen für uns im gleichen Maße nachvollziehbar wie unverständlich sein, seine Entwicklung muss sich am Rande oder gar ausserhalb der Gesellschaft abspielen, muss deren Gesetze ausreizen bis in ihre Grenzen, deren Moral provozieren, zuspitzen. Aber egal, wie weit er sich von ihr entfernt, wie sehr er sie negiert, für den Helden ist die Gesellschaft der eigentlicher Nährboden, der Bezugsraum, der ihn erst in seiner Rolle definiert, ihn zu dem macht, was er ist. Im Spiegel des einsamen Helden kann dieser Definitionsraum nur angedeutet oder mit feinen Strichen gezeichnet sein, er kann irreal oder unwirklich sein, wir glauben trotzdem daran und halten beide für möglich: den Helden und die Welt, aus der er kam.

Seit einigen Jahren, also ungefähr seit die Post-Post-Moderne begonnen hat, meinen nun viele Nachwuchsregisseure den heroischen Nimbus dieser Art Helden für die eigene Heldenbildung nutzen zu können und sie dazu in ein motivationsloses Extrem treiben zu müssen, das sich jeglichem plausiblen gesellschaftlichen Bezug verweigert. Die Coolness soll offensichtlich dadurch noch gesteigert werden, die Helden noch einsamerer wirken, die Fallhöhe vergrößert und der Nachwuchsregisseur als radikaler Geist und unerschrockener Neuerer wahrgenommen werden. Dem ist aber leider nicht so!

Ganz im Gegenteil, die an sich ja grundgesunde Arroganz der Jugend läuft in kulturell stagnierenden Zeiten ins Leere, sie will Anderes, weiß aber nicht was und nicht wie. Letzteres wird dann ärgerlich, wenn die trotzige Verweigerung tradierter Erzählmotive den Helden in motivations- und ahnungslose Handlungssprünge treibt und damit die verzweifelt nach neuen Wegen suchende Konstruktion der Geschichte immer durchschaubarer macht. So gesehen in letzte Zeit zum Beispiel in Schame von Steve McQueen (… was für eine Quälerei!) und Drive von Nicolas Winding Refn (… darf Comic wirklich alles?)

Der Held, der sich auf nichts mehr beziehen darf, kann sich auch nicht entwickeln. Er wird bedeutungslos, weil sein Heldentum eine reine Behauptung ist, zusammengesetzt aus den großen Gesten der Filmgeschichte, die hier als reine Manierismen auf nichts weiter verweisen, als auf die Frustration der Filmschaffenden, die einer sterbenden Kunst verzweifelt neue Bedeutung geben wollen.


Kommentare

Eine Antwort zu „14 | Der einsame Held“

  1. […] 2013 wieder eine Wasserschlacht auf der Oberbaumbrücke geben wird. Überigens findet sich z.B. hier noch ein finales Foto vom Ende des […]

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